Mauricio Pochettino verlässt Chelsea

Schock an der Stamford Bridge

22. Mai 2024, 19:27 Uhr

Nach nur einer Saison verabschiedet sich Mauricio Pochettino als Trainer vom FC Chelsea. Dabei verlor sein Team zuletzt nur eins von fünfzehn Ligaspielen. (Foto: Nick Potts / Imago)
Nach nur einer Saison verabschiedet sich Mauricio Pochettino als Trainer vom FC Chelsea. Dabei verlor sein Team zuletzt nur eins von fünfzehn Ligaspielen. (Foto: Nick Potts / Imago)

Nach nur einer Saison verlässt Mauricio Pochettino einvernehmlich als Trainer den FC Chelsea. Trotz seiner beachtlichen Aufbauarbeit waren die Differenzen zwischen ihm und der Klubführung zu groß. Sein Abschied trifft vor allem die Spieler.

Von Sven Haist, London

Die Spieler des Chelsea Football Club reagierten mit Bestürzung auf den überraschenden Abschied ihre Trainers Mauricio Pochettino. Nachdem der Verein am Dienstagabend die einvernehmliche Trennung vom Argentinier nach nur einer Saison verlautbart hatte, drückten sie ihren Respekt vor dessen Arbeit aus. Einer der ersten, der sich öffentlich zu Wort meldete, war der Angreifer Nicolas Jackson. Er postete ein Bild von sich mit dem Trainer und ein Facepalm-Emojis hoch, die einer Geste der Frustration und Fassungslosigkeit entsprechen. Dazu bedankte er sich bei Pochettino für dessen Unterstützung und schrieb, er wünschte, sie hätten länger zusammenarbeiten können. Ähnlich äußerten sich auch Mittelfeldspieler Moises Caicedo und der englische Jungnationalspieler Cole Palmer, zweitbester Torschütze der abgelaufenen Premier-League-Saison.

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Die Reaktion von Chelsea-Angreifer Cole Palmer auf den Abschied von Mauricio Pochettino.

Während der Spielzeit schienen der Trainer und seine Spieler immer mehr zueinander zu finden. Trotz der enttäuschenden Hinrunde bewahrte Mauricio Pochettino die Ruhe und stellte sich vor allem immer vor das Team, das zu den jüngsten der Liga gehört. Sein Vorgehen erinnerte an seine Zeit beim Londoner Stadtrivalen Tottenham Hotspur, den er auf ähnliche Weise zu einem Spitzenklub geformt hatte. Die Entwicklung der Chelsea-Spieler bestätigte seinen Ruf, ein gutes Gespür und eine gute Ansprache an junge Spieler zu besitzen.

Chelsea schloss die Liga mit nur einer Niederlage in den vergangenen 15 Spielen ab

Mit einem bemerkenswerten Endspurt von fünf Heimsiegen am Stück nur einer Niederlag in fünfzehn Ligaspielen – einem 0:5 beim Vizemeister FC Arsenal – arbeitete sich das schon abgeschlagene Chelsea auf den sechsten Platz vor. Er berechtigt immerhin zur Teilnahme an der Conference League. Wenn der Dauermeister Manchester City im FA-Cup-Finale den Stadtrivalen United schlägt, würden die Blues sogar in die Europa League aufrücken, obwohl sie den Großteil der Saison auf einem zweistelligen Tabellenplatz verbracht haben.

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Auch Chelseas Nicolas Jackson zeigt wenig Verständnis für die Trennung von Pochettino.

Doch der Aufwärtstrend zu Beginn der Rückrunde, der mit dem Einzug ins League-Cup-Finale und dem FA-Cup-Halbfinale untermauert wurde, schien das Verhältnis zwischen Mauricio Pochettino und dem Vereinsmanagement um den Vorsitzenden Todd Boehly nicht wirklich zu verbessern. Der Klub war dem Vernehmen nach besorgt wegen der langen Verletztenliste und erwartete wohl ein noch besseres Abschneiden in der Liga. Auch bei der Ausrichtung des Kaders, den Entscheidungen über Transfers und der Anstellung eines Trainer-Spezialisten für Standardsituationen wirkten beide Seiten uneinig. Pochettino bestand etwa darauf, sein Trainerstab sei für alles zuständig, auch für Ecken und Freistöße.

Rückendeckung erhielt Mauricio Pochettino meist nur von den Spielern

Die Differenzen sorgten für ständige Spekulationen in der Öffentlichkeit über eine frühzeitige Ablösung von Pochettino. Die Fans standen dem 52-Jährigen aufgrund seiner Tottenham-Vergangenheit ohnehin skeptisch gegenüber. Dadurch sah es manchmal so aus, als hielte Pochettino nur die Rückendeckung aus der Mannschaft im Amt – sowie die mögliche Peinlichkeit für die Klubführung, nach der Chelsea-Übernahme im Mai 2022 schon in der zweiten Saison in Folge den Trainer auswechseln zu müssen. Im Vorjahr stellte der Verein sowohl Thomas Tuchel als auch dessen Nachfolger Graham Potter im Verlauf der Spielzeit frei. Der Erfolg der Maßnahme blieb aber jeweils aus.

Der versöhnliche sportliche Ausgang bescherte Mauricio Pochettino nun eine vernünftige Ausgangslage für die Saisonanalyse mit seinen Vorgesetzten. Darin dürfte nicht nur der Klub, die Leitlinien für eine Zusammenarbeit nochmals nachgeschärft, sondern ebenfalls Pochettino seine Wünsche dargelegt haben. Der Trainer verlangte wahrscheinlich einen größeren Einfluss auf die bisher sehr speziell anmutende Kaderpolitik des Klubs, der zuletzt viele talentierte junge Spieler mit langfristigen Verträgen verpflichtet hatte. Die Chelsea-Bosse um die Sportdirektoren Laurence Stewart und Paul Winstanley haben ihm diesen erwartungsgemäß wohl nicht gewährt. So war das Ende der Zusammenarbeit unvermeidlich.

Der Abschied ändert nichts an Pochettinos Reputation

Trotz der Komplikationen verlässt Pochettino den Klub, ohne an Reputation eingebüßt zu haben. Er stellte erneut unter Beweis, aus jungen begabten Profis ein schlagkräftiges Team formen zu können. Jedoch geht es für ihn nach zwei extrem unterschiedlichen Stationen (dem Staraufgebot bei Paris St. Germain und der unerfahrenen Chelsea-Truppe) darum, einen seriös geführten Topklub zu finden, mit dem er seine Ambitionen verwirklichen kann – Titel zu gewinnen.

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