FC Liverpool im Titelrennen

Nur Slots Meisterfaust fehlt

24. Feb. 2025, 16:13 Uhr

Arne Slot möchte sich ja nicht zu früh freuen: Trotz elf Punkten Vorsprung hielt er sich auch nach dem Sieg von Liverpool bei Manchester City mit dem Jubeln zurück. (Foto: David Rawcliffe / Imago Images)
Arne Slot möchte sich ja nicht zu früh freuen: Trotz elf Punkten Vorsprung hielt er sich auch nach dem Sieg von Liverpool bei Manchester City mit dem Jubeln zurück. (Foto: David Rawcliffe / Imago Images)

Der FC Liverpool gewinnt beim Serienmeister Manchester City 2:0 und führt die Premier League komfortabel mit elf Punkten Vorsprung an. Man verfügt mit Torjäger Mohamed Salah über den derzeit besten Spieler der Liga und das stärkste Kollektiv. In den Fokus rückt die Champions League.

Von Sven Haist, Manchester

Die Meisterfaust wollte Arne Slot noch nicht ballen. Zwar lief der Trainer des FC Liverpool nach dem überzeugenden Sieg bei Manchester City schnellen Schrittes über den Platz in die Fankurve, aus der er laut bejubelt wurde. Der Moment schien sich für den bisher zurückhaltend auftretenden Niederländer eigentlich zu eignen, Emotionen zu zeigen. Doch Slot klatschte den Anhängern nur kurz Beifall und legte dann eine Kehrtwende zum Stadionausgang ein. Stattdessen ließ er seinen Spielern den Vortritt, die sich ausführlich feiern ließen. Slot wirkte wie ein Tourguide, der eine Gruppe zu berühmten Sehenswürdigkeiten führt und den anderen den besten Blick überlässt – im Fall der Reds ist die Sehenswürdigkeit der Gewinn der englischen Meisterschaft in dieser Saison.

Der Telegraph schreibt, Liverpool könne schon mal die Meisterparade planen

Liverpools 2:0 (2:0) in Manchester am Sonntagabend gleicht einer Zäsur in der Premier League. Denn nach vier City-Meisterschaften in Serie wird aller Voraussicht nach der Dauerrivale aus Liverpool der neue Titelträger in diesem Jahr. Es wäre der insgesamt 20. Ligatitel des Klubs, womit man zum Rekordmeister und Erzrivalen Manchester United aufschließen würde. Aus der Spitzengruppe siegte einzig der Merseyside-Verein an diesem Spieltag und führt nun die Tabelle bei einem mehr absolvierten Match mit elf Punkten vor dem FC Arsenal an; City ist um 20 Zähler distanziert. Einen solchen Vorsprung hat zu diesem Zeitpunkt fast niemand mehr verspielt – abgesehen von Manchester United, das 1997/98 trotz einem Zwölf-Punkte-Polster im Februar von Arsenal abgefangen worden war.

Der Telegraph titelte, dass Liverpool bereits die Siegesparade bei der Stadtverwaltung anmelden könne. „Campiones, Campiones“, frohlockten auch die Liverpool-Anhänger. Die eigenen Fans könnten „singen, was sie wollen“, entgegnete Slot, aber er glaube, das Titelrennen sei noch nicht entschieden, weil die Premier League in jedem Match viele neue Herausforderungen bereithalte. Man müsse Ruhe bewahren, warnte Mohamed Salah, weil man in den Vorjahren den Druck gegen Saisonende sehr wohl gespürt habe.

Ein Tor, eine Vorlage: Erneut war Mohamed Salah der Matchwinner

Mehrmals hatte Liverpool gegen City zuletzt trotz besserer Ausgangslage auf der Zielgeraden das Nachsehen gehabt. In dieser Saison allerdings wirkt die Mannschaft ähnlich beständig und souverän wie bei der letzten Meisterspielzeit 2020. Man besitzt mit dem Torjäger Salah den formstärksten Fußballer der Liga und stellt zugleich auch das beste Kollektiv. Der Ägypter erwies sich gegen City einmal mehr als der entscheidende Spieler auf dem Platz: Er erzielte das 1:0 (14. Minute) auf Vorlage von Dominik Szoboszlai nach einem Eckballtrick und assistierte ihm dann bei dessen 2:0 (37.). Mit 51 Torbeteiligungen in dieser Saison hat der 32-Jährige mehrere Bestmarken gebrochen, seine Form macht ihn zurzeit zum Kandidaten für die Weltfußballer-Wahl, offenbar eines der größten Ziele von ihm.

Man benötige unbedingt mehr Titel, betonte Salah nach dem City-Spiel. Er ging voran, indem er die Taktik seines Trainers brillant umsetzte. Slot hatte sich dafür entschieden, in der Sturmspitze auf die Spielmacher Szoboszlai und Jones zu setzen, die sich häufig zurückfallen ließen, um die City-Verteidiger aus ihren Positionen zu locken. Den Freiraum nutzte dann vor allem der pfeilschnelle Salah. Und in der Defensive reihte sich der Rechtsaußen in die geschlossene Abwehrarbeit in der eigenen Spielhälfte ein. Salahs Stärke sei es, dass er stets etwas Besonderes mit dem Ball anzufangen wisse, auch wenn er so viel hinten aushelfen müsse. In nur einem Spitzenspiel in dieser Saison hat Liverpool zwei Gegentore kassiert, es war beim Auswärtsspiel in Arsenal (2:2).

Liverpool hat eine fast identische Bilanz wie in der Vorsaison – nur keine verletzten Spieler

Im Vergleich zum selben Zeitpunkt der Vorsaison unter Trainer Jürgen Klopp hat der FC Liverpool die fast identische Punktzahl und dasselbe Torverhältnis. Dass man dennoch diesmal souverän an der Spitze steht, liegt an zwei Dingen: dass die Konkurrenz zum einen deutlich schwächelt und zum anderen man selbst effektiver durch die eigenen Partien kommt. Derzeit hat Liverpool überhaupt keine Verletzungsausfälle zu beklagen, wohingegen vor einem Jahr fast die gesamte Stammelf wochenlang fehlte. Um einem möglichen Einbruch entgegenzuwirken, verzichtete Slot kürzlich bei der FA-Cup-Pleite gegen den damaligen Zweitliga-Letzten Plymouth auf zehn der elf Startspieler des nächsten Ligaspiels.

Die fast sicher Premier-League-Meisterschaft gibt dem Trainer jetzt die Möglichkeit, die Kräfte seiner Spieler besser einteilen zu können. Bei den Liga-Einsatzminuten ist eine Lücke zwischen den elf am häufigsten auf dem Platz stehenden Spielern und dem Rest des Kaders zu erkennen. Hinter vorgehaltener Hand ist aus Liverpool zu hören, dass etwa 15 Spieler den Kern des Teams ausmachen, ehe das Leistungsniveau langsam abfällt. Weil man sich in der Premier League bei bisher lediglich einer Pleite im September (0:1/Nottingham) gegebenenfalls Ausrutscher erlauben kann, ohne die Tabellenführung gleich zu riskieren, besitzt Slot die Möglichkeit, in manchen Partien zu taktieren.

Nächste Woche wartet das internationale Schlagerspiel gegen PSG

Liverpools Fokus dürfte sich dadurch zunehmend auf das League-Cup-Endspiel gegen Newcastle United im März richten sowie auf die Champions League. Im Achtelfinale geht es ab der nächsten Woche im internationalen Schlagerspiel gegen Paris Saint-Germain. Die Franzosen liegen in ihrer Liga vergleichbar weit in Führung wie Liverpool. Durch das Cup-Aus haben die Reds den Vorteil, am Wochenende vor dem Auswärtshinspiel in Paris spielfrei zu haben. Man gilt als einer der Topfavoriten auf den Henkelpokal. Bisher ist es dem FC Liverpool nur im Jahr 1977 gelungen, in ein und derselben Saison Meister und Europapokalsieger zu werden. Derzeit sieht es so aus, als könnten sich für Arne Slot noch weitere Gelegenheiten auftun, um doch mal vor den Fans die Faust zu zücken.

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