Manchester-Derby

Kein Bonus und keine Uhr

07. Apr. 2025, 19:08 Uhr

Pep Guardiola äußert seine Unzufriedenheit im Gespräch mit Bernardo Silva. (Foto: Bradley Ormesher / Imago Images)
Pep Guardiola äußert seine Unzufriedenheit im Gespräch mit Bernardo Silva. (Foto: Bradley Ormesher / Imago Images)

Nach dem Remis im Manchester-Derby droht Manchester City ernsthaft eine Saison in der Europa League. Der Klub steht auf dem fünften Platz und könnte weiter zurückfallen. Trainer Pep Guardiola streicht sich und seinen Spielern die Prämien.

Von Sven Haist, Manchester

Womöglich erging es der Premier-League-Bildregie während des Manchester-Derbys zwischen United und City wie Roy Keane. Der TV-Experte, der früher im United-Trikot durch seine kompromisslose Spielweise stets für Würze im Lokalduell gesorgt hatte, langweilte sich. Keane kanzelte das 0:0 am Sonntagabend als „Freundschaftskick“ ab. Und das Fernsehbild zeigte irgendwann statt der Wiederholung einer Szene, in der United einen Elfmeter für sich reklamierte, lieber den auf der Tribüne sitzenden Ex-Torwart Peter Schmeichel.

Das passte insofern, als Schmeichel zum Inventar der Manchester-Rivalität gehört, er lief einst für beide Klubs auf. Allerdings war er diesmal nicht als Zuschauer in der Loge, sondern als Reporter für den TV-Sender Viaplay auf der Pressetribüne. In der Regel wird dieser Bereich nicht eingeblendet. Nun aber sah sich der Däne Schmeichel plötzlich sekundenlang selbst auf einem vor ihm aufgestellten Monitor im Bild. Schmeichels Reaktion? Er ließ sich nichts anmerken und setzte ein Pokerface auf, als würde er zwischen den Pfosten stehen.

Wenn United die Europa League gewinnt, könnte man die Saison besser abschließen als City

Dieses Amüsement, an dem alle Menschen um Schmeichel herum – und er selbst – ihren Spaß hatten, war eine willkommene Auflockerung neben dem eher einfallslosen Gekicke auf dem Platz. 0:0 – das Resultat war für den Tabellen-13. United kaum der Erwähnung wert. Für die Elf von Trainer Rúben Amorim glich das Derby angesichts der Lage in der Liga tatsächlich eher einem Testlauf für das anstehende Europa-League-Viertelfinale gegen Olympique Lyon. Sollte United diesen Wettbewerb gewinnen, würde man sich trotz der desolaten Liga-Saison für die Champions League qualifizieren – und könnte damit kurzerhand diese Saison sogar erfolgreicher beenden als der Stadtrivale.

Denn Manchester City (52 Punkte) droht gerade ernsthaft die Königsklasse zu verpassen – nach 14 Teilnahmen in Serie. Noch hält sich der Verein auf dem fünften Rang, der wahrscheinlich wegen des guten Abschneidens der Engländer in dieser Europapokalrunde als zusätzlicher Startplatz für die Champions League ausreicht. Doch das siebtplatzierte Newcastle United (50 Punkte) könnte mit zwei Spielen in der Hinterhand locker an City vorbeiziehen. Auch Aston Villa (51), Fulham (48) und Brighton (47) sind in Schlagdistanz.

Erling Haaland fällt wohl bis Saisonende aus

Die Pointe der aktuellen City-Situation könnte darin bestehen, dass sie einige Spieler im Kader in Zukunft nicht mehr sonderlich betrifft. Neben Kevin De Bruyne, der gemäß seiner Ankündigung vom vergangenen Freitag zum Saisonende in Manchester aufhört, werden vermutlich weitere Routiniers den Verein verlassen. Ihr Ziel dürfte vorrangig das FA-Cup-Halbfinale gegen Nottingham Forest sein und gegebenenfalls dann das Finale. Es bietet diesen City-Spielern die einzige Chance, sich mit einem Titel zu verabschieden. Und Torjäger Erling Haaland, der das Gesicht des neuen City sein soll, fällt mit einer Knöchelverletzung wahrscheinlich bis zum Saisonende aus.

Der Fokus der alten Garde liegt auf dem FA Cup

Nun hat der kommende Meister Liverpool nach seiner schwachen Saison vor zwei Jahren vorgemacht, dass eine Europa-League-Trostrunde dem Wiederaufbau einer neuen Mannschaft durchaus auch mal zuträglich sein kann. Allerdings käme Manchester City ein Wegfall der Einnahmen aus der Königsklasse teuer zu stehen. Schon in dieser Saison beträgt der Transferverlust des Klubs mehr als 100 Millionen Euro, und die Erneuerung der Guardiola-Elf ist noch lange nicht abgeschlossen. Da würde es nur bedingt helfen, das Salär von Spitzenverdienern wie De Bruyne einzusparen und durch das Mitwirken an der Goldgräber-Klub-WM im Sommer eine Anschubfinanzierung zu erhalten. Kürzlich betonte Guardiola, sich und seinen Spielern den Bonus für diese Saison streichen zu wollen. Selbst wenn man das neue WM-Format gewinnen sollte, habe man sich „keine Prämien, nicht mal eine Uhr“ verdient. Das Geld sei stattdessen vollumfänglich für den Klub, sagte der Coach.

Immerhin scheint City ein verträgliches Restprogramm in der Premier League zu haben, das vermeintlich schwierigste Spiel ist zu Hause gegen Aston Villa. Das kann aber auch die Gefahr bergen, sich zu sehr in Sicherheit zu wiegen – so, wie es bisweilen manchmal auch beim 0:0 gegen United den Anschein hatte. Nach dem Derby entschuldigte sich der Sky-Experte Gary Neville für seinen Live-Kommentar. Er habe sich, dem langweiligen Spiel entsprechend, „zu sehr gehen lassen“.

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