Frauenfußball in England

Maskottchen unterschreiben den ersten Deal

27. Sep 2024, 16:39 Uhr

Englands Fußballerinnen organsieren sich von dieser Saison an selbst: Zum Auftakt werden die Spielerinnen von Arsenal und Manchester City mit einem Feuerwerk begrüßt. (Foto: Anthony Hanc / Shutterstock / Imago Images)
Englands Fußballerinnen organsieren sich von dieser Saison an selbst: Zum Auftakt werden die Spielerinnen von Arsenal und Manchester City mit einem Feuerwerk begrüßt. (Foto: Anthony Hanc / Shutterstock / Imago Images)

Frauen-Management, Sponsorendeal mit Barclays, Kredite von der Premier League und Live-Streaming: Englands Frauenfußball macht sich nach 14 Jahren selbstständig. Doch es gibt einige Hürden.

Von Sven Haist, London

Vor einem Jahr gaben die Women’s Super League und die Women’s Championship, die ersten beiden englischen Frauenligen, bekannt, sich von Englands Football Association zu lösen – und sich ab dieser Spielzeit erstmals als eigene Unternehmung zu verwalten. Der Name: Women’s Professional Leagues Limited. Zum Saisonstart vor einer Woche veröffentlichte Englands Frauenfußball ein Video, in dem die Gepflogenheiten der kickenden Branche bei einem Sponsorentreffen mit Vertretern der Barclays Bank persifliert wurden. Alle Klubs sind anwesend. Auf dem Bildschirm im Konferenzraum läuft eine Power-Point-Präsentation, es gibt dazu Kaffee und Kuchen. Allerdings versammeln sich nicht die Vereinschefs am Besprechungstisch – sondern die Klubmaskottchen.

Englands für den Frauenfußball neu zuständige Womens’s Professional Leagues Limited verkündet den ersten abgeschlossenen Sponsorendeal in ihrer Historie.

Die Figuren benehmen sich genauso geschäftig wie sonst an dieser Stelle die Anzugträger: Brentfords Maskottchen Buzzette wälzt Dokumente, Pete the Eagle von Crystal Palace hält einen edlen Kugelschreiber in der Hand und Manchester Citys Moonchester schüttet Zuckerwürfel neben die Tasse. Die Barclays-Gastgeberin seufzt auf, Leicester Citys Fox fasst sich besorgt an den Kopf. Kurz darauf bricht Jubel aus, weil der Vertrag mit Barclays ausgehandelt ist. Er wird zur Unterschrift herumgereicht. Leicesters Fox kritzelt, gerade noch lesbar, in Druckbuchstaben „Fox“ in die Signaturspalte.

Auf dem Platz ändert sich erst einmal nichts: Zwölf Teams spielen im Meistermodus

Die Inszenierung des Sponsorenabkommens mit Barclays ist der Sache angemessen, denn es ist der erste Deal, den die im Jahr 2010 gegründete Women’s Super League als jetzt eigenständiges Unternehmen abgeschlossen hat. Die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Barclays erstreckt sich über drei Jahre und soll kolportierte 30 Millionen Pfund für die Namensrechte an der Liga einbringen. Bereitwillig teilte das Geldinstitut mit, das eigene Engagement im Frauenfußball „verdoppelt“ zu haben. Zusätzlich dürften vereinbarte Marketingverpflichtungen das Gesamtvolumen der Partnerschaft auf bis zu 45 Millionen erhöhen. Damit untermauerte die Women’s Professional Leagues Limited ihre Ambition, das Interesse am Frauenfußball signifikant zu steigern.

Inzwischen spielen mehr als vier Millionen Frauen und Mädchen Fußball auf der Insel. Eine Reporterin des Guardian prophezeit in einem Essay, dass sich der Frauenfußball zu ihren Lebzeiten als „zweitgrößte Sportart nach dem Männerfußball“ etablieren wird. Auf dem Platz ändert sich erst einmal nichts: Zwölf Klubs duellieren sich weiter in der ersten Liga im Meistermodus, der Tabellenletzte steigt ab. Aber außerhalb des Platzes strukturiert sich der Frauenfußball um. Das Management der Women’s Professional Leagues Limited besteht derzeit nur aus Frauen, ein vierköpfiges Team berichtet an die Vorsitzende Nikki Doucet, eine Investmentbankerin, die auch für den Sportartikelhersteller Nike tätig gewesen war. Die Anteile an der Organisation halten die derzeitigen zwölf Erst- und elf Zweitligisten.

Die Ligatabelle ist noch immer ein Abbild des Engagements der Vereine

Zum Vorstand gehören unter der Führung der bisherigen Chefin Dawn Airey drei nicht exekutiv tätige Mitglieder, darüber hinaus sind in dem Gremium der englische Verband und zunächst einmal auch die Premier League vertreten. Letztere gewährt ein zinsfreies Darlehen von 20 Millionen Pfund, das für den Aufbau eines soliden Fundaments verwendet werden soll. Denn einen kleinen Rückschlag hat die Liga bereits auch hinnehmen müssen. Vor dieser Spielzeit liefen die TV-Verträge mit der BBC und Sky aus, die jährlich rund acht Millionen garantieren. Deshalb wurden die Rechte im Winter 2024 neu ausgeschrieben. Allerdings entschied sich das Ligagremium im Frühjahr, die bestehenden Kontrakte nochmals um eine Saison zu verlängern.

Dahinter steckt wohl die Überlegung, in den kommenden Verhandlungen möglichst deutlich bessere Konditionen zu erzielen. Einstweilen werden die nicht im TV gezeigten Spiele auf der eigenen Youtube-Plattform kostenlos live ausgestrahlt. Trotz der Bemühungen hielt der Guardian treffend fest, dass sich die Ligapositionen der Vereine nach wie vor grob daran ablesen ließen, wie sehr sich ein Klub „historisch, ideell und finanziell“ für die eigene Frauenmannschaft einsetze. Zuletzt gewann Chelsea fünf Mal in Serie den Ligatitel, in der Vorsaison schienen zumindest Manchester City und Arsenal aufgeschlossen zu haben. Die Branchengrößen Liverpool und Manchester United hängen zurück.

Die Frauenteams machen jeweils nur einen kleinen Teil des Klubumsatzes aus

Kurz angebunden antwortete Uniteds für den Sport zuständiger Minderheitsbesitzer Jim Ratcliffe im Sommer, zur Ausrichtung der Frauenelf noch nicht ins Detail gegangen zu sein. Bisher habe man sich darauf fokussiert, die Probleme «der ersten Mannschaft» zu lösen – womit der 71-Jährige zweifelsfrei das Männerteam meinte. Die Aussagen lösten in England einen Aufschrei aus, weil sie das Gefühl hinterließen, Ratcliffe priorisiere die Männer im Klub gegenüber den Frauen. Dieser Eindruck verfestigte sich, als United kurz darauf bekanntgab, das Frauenteam müsse für diese Spielzeit aus dem vor einem Jahr neu eröffneten Trainingsgebäude in eine mobile Anlage umziehen – damit die Männer die Einrichtungen nutzen könnten. Der Grund sind Modernisierungsarbeiten im Männerbereich.

Die Frauen machen zwar im Vergleich zu den Männern weiterhin nur einen kleinen Teil des Klubumsatzes aus. Allerdings konterkariert es die Bemühungen, den Frauenfußball zu fördern und ihn mit den Männern möglichst gleichzustellen. Diese Aufgabe obliegt nun vor allem der Women’s Professional Leagues Limited. Im besten Fall kommen die Maskottchen der Vereine noch viele weitere Male zu Vertragsabschlüssen zusammen.

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