Debüt von Thomas Tuchel
„Tuchel’s coming home“
21. März 2025, 13:35 Uhr

Vor seinem Debüt als englischer Nationaltrainer in der WM-Qualifikation gegen Albanien macht Thomas Tuchel einen aufgeräumten Eindruck. Die Spieler schwärmen von ihn, auch die englische Öffentlichkeit ist des Lobes über ihn. Warum sich Tuchel im Land des Erzrivalen wie zu Hause fühlt.
Wahrscheinlich genießt Thomas Tuchel in England höhere Wertschätzung als in Deutschland. In seiner deutschen Heimat wird er inzwischen oft kritisch gesehen, weil seine Stationen bei Borussia Dortmund (2015 bis 2017) und dem FC Bayern (2023 bis 2024) auf unterschiedliche Weise im Zerwürfnis endeten. Dagegen können sich wohl fast alle Engländer auf Tuchel verständigen. Seit dem Champions-League-Triumph mit dem FC Chelsea im Jahr 2021 verfügt der gebürtige Krumbacher über ein beachtliches Ansehen auf der Insel. Deshalb fühlt sich seine Tätigkeit als neuer Nationaltrainer der Engländer wie eine Rückkehr nach Hause an. „Tuchel’s coming home“, so wirkt seine erste Lehrgangswoche mit den Three Lions in Anlehnung an die englische Fußballhymne „Football’s coming home“.
Vor seinem Debüt im WM-Qualifikationsauftakt gegen Albanien im Nationalstadion Wembley am Freitag (20.45 Uhr) macht Thomas Tuchel einen aufgeräumten Eindruck. Er fühlt sich wohl im Kreis seiner neuen Spieler. Jeden von ihnen begrüßte er herzlich bei der Anreise in der Lobby des St. George’s Park, dem Quartieridylle der Nationalelf bei Burton in Mittelengland, das Englands Football Association (FA) einst 2012 für 100 Millionen Pfund eröffnet hatte. Die Boulevardzeitung Mirror beobachtete, Tuchel leite seine Ära mit „High Fives, Lächeln und Umarmungen“ ein. Seit langem empfinde er eine tiefe Verbundenheit zum englischen Fußball, der ihm einige unglaubliche Erlebnisse beschert habe, erklärte Tuchel dazu. Daher sei es ein Privileg, England repräsentieren zu dürfen.
Als Nationaltrainer kann sich Tuchel seinen Kader selbst zusammenstellen
In seiner neuen Rolle findet der Trainer fast alles vor, was er sich wünscht. Anders als im Klubfußball, in der vor allem in Deutschland ein Kader immer auch mit den Vereinschefs abgestimmt werden muss, kann Thomas Tuchel als Nationalcoach in England seine Mannschaft aus einer Liste von ungefähr 55 Spitzenspielern frei ohne Kompetenzgerangel zusammenstellen. Dabei achtete er bei seiner ersten Nominierung auf das Teamgefüge, er integrierte so viele Mannschaftsspieler wie Individualisten. Während seiner Zeit in Chelsea gefiel ihm die Mentalität englischer Fußballtruppen. Sie zeichnet in der Regel ein hohes Maß an Tatendrang und Aufnahmebereitschaft aus. Sie steht konträr zur Stimmung, die Tuchel einstweilen beim FC Bayern vorgefunden hatte, als Freud- und Antriebslosigkeit herrschten.
Tuchel holte sich Anregungen aus der NBA-Basketballliga
Um eine Arbeitsatmosphäre wie in Chelsea zu erschaffen, versucht Thomas Tuchel, seine Vorstellungen über Führungspersönlichkeiten in den Mannschaftskreis zu transportieren. Inspiration holte sich Tuchel vor seinem Engagement in mehreren Gesprächen mit früheren Fußballweltmeistern. Ebenso adoptierte er Ideen aus der US-Basketballliga NBA. Historisch seien jene NBA-Teams erfolgreich, deren Spieler sich gegenseitig anfeuern, abklatschen und viele Interaktionen miteinander haben, verriet der erstmalig berufene Verteidiger Dan Burn, 32, aus Tuchels Ansprache. In der ersteh Trainingseinheit mussten sich die Spieler beim Balljonglieren gegenseitig an den Händen fassen. Ziel sei es, ein “familiäres Klima” zu schaffen, betont Tuchel. Ähnlich drückte sich schon sein Vorgänger Gareth Southgate aus.
Die Engländer zeigen sich bisher aufgeschlossen von den Überlegungen ihres neuen Anführers. Dies liegt einerseits an den Gepflogenheiten im Mutterland des Fußballs, wo dem Trainer grundsätzlich besonderer Respekt entgegengebracht wird. Andererseits am Renommee Tuchels, der angesichts von insgesamt elf Karrieretiteln von den Spielern auf einer Stufe mit den derzeit anderen führenden Branchenköpfen Pep Guardiola, Carlo Ancelotti und Jürgen Klopp gesehen wird. Auf der Insel gilt er ehrfurchtsvoll als „Auftragskiller“. Damit ist gemeint, dass Thomas Tuchel seine Mannschaften kurzfristig zu großen Erfolgen führen kann. Seine Aura sei eine, die er „noch nie erlebt“ habe, bekannte der Mittelfeldspieler Morgan Rogers.
Auch mit englischen Presse kommt Thomas Tuchel bisher ordentlich aus
Tuchel strahlt Klarheit und Selbstüberzeugung aus. Und besitzt darüber hinaus die Gabe, das trotzdem auf eine sympathische und neckische Art zu tun. Von vielen Akteuren ist zu hören, dass er sie bei ihrer Nominierung aus der Reserve lockte. Den nachberufenen Spielmacher Morgen Gibbs-White fragte er etwa, ob er noch verärgert sei oder Lust habe, doch dazu zu kommen. Alle seien „beeindruckt“, lobt der englische Kapitän Harry Kane. Der hohe Anspruch aus der Mannschaft, in der die meisten Spieler in ihren Klubs von renommierten Trainern gecoacht werden, kommt Thomas Tuchel entgegen. Er gehört zu denjenigen, die fordernd sein können, aber ebenso auch gefordert werden wollen.
Das könnte ein Grund sein, warum er mit der gemeinhin wenig zimperlichen Presse stets ordentlich auskommt. Auf die knifflige Frage, ob er die englische Nationalhymne „God Save the King“ mitsingen werde, was der vorherige englisch-irische Interimstrainer Lee Carsley zum Unmut von vielen Kommentatoren nicht tat, drehte Tuchel die Sachlage geschickt um: Er sagte, die Engländer sollten selbst entscheiden, wann er es verdient habe, ihre Hymne mitzusingen.
Die Wertschätzung schmeichelt Thomas Tuchel. Er sagt, es sei Fakt, in England mehr gewürdigt zu werden als in Deutschland. Dies führt er auf ein deutsches Schubladendenken zurück. Dabei werde ein Bild von jemandem gezeichnet, und dieses dann über Jahre bestehen bleibe. Für die Anerkennung ihm gegenüber erwartet der englische Fußball allerdings, dass am Ende nicht nur Tuchel, sondern auch der Weltpokal nach England zurückkehrt.

Englischer Fußball für Englands Nationalelf
Bei seiner ersten Kadernominierung als englischer Nationaltrainer kündigt Thomas Tuchel an, das Teamgefüge seines Vorgängers Gareth Southgate beibehalten, aber den Spielstil verändern zu wollen. Für seine Idee stehen drei markante Personalien - sowie sein eigenes Auftreten.
Geheimnisvoll präsenter Auftragskiller
Thomas Tuchel hat sein Amt als englischer Nationaltrainer angetreten und gehört nun zu den prominentesten Fußballpersonen des Landes. Bereits an seinen ersten Arbeitstagen zeigt er sich in mehreren Stadien der Premier League. Die Spieler sollen wissen: "Der Boss ist das". Doch über sein neues Team spricht er kaum.
Thomas Tuchel ist Englands letzte Hoffnung
Thomas Tuchel präsentiert sich bei seiner Vorstellung als englischer Nationaltrainer gut gelaunt und als Gentleman. Die Anstellung eines Deutschen, dem Fußball-Erzrivalen des Landes, schien lange undenkbar zu sein. Trotz der Kritik hofft Tuchel auf eine "faire Chance".